Verrückt, VERRÜCKT, VER-RÜCKT – hast du dir auch schon einmal Gedanken über dieses Wort und seine Bedeutung gemacht? Auf den ersten Blick beschreibt es, wenn etwas nicht der Norm entspricht, wenn etwas nicht passt, nicht stimmig ist, nicht normal, wenn etwas merkwürdig, eigenartig, seltsam ist. Etwas, das eigentlich einen festen Platz hat, wurde verschoben und an eine andere Stelle gerückt – ver-rückt! Vielleicht denkst du jetzt gerade an das Spiel „Das verrückte Labyrinth“, dessen Gänge ständig bewegt werden, sodass die Begebenheiten sich dauernd ändern, neue Wege gehen auf, neue Chancen und Situationen entstehen.

So ist es auch im Leben: was man nicht verschiebt, verändert, umwirft und neu ordnet, bleibt starr und unflexibel. Also lass uns ruhig ein bisschen verrückt sein! Die Verrücktheit mancher Pioniere hat zu enormem Fortschritt beigetragen, während sicherlich auch einige ihre unkonventionellen Ideen für Schreckliches missbraucht haben. Doch Gut und Böse sind im Grunde nichts anderes als Bewertungen, die wir Menschen den Dingen geben, um mit ihnen umgehen zu können.

Es gibt Individuen, zu denen ich übrigens nicht gehöre, die keinen Regen mögen, sie finden ihn schlecht, nervig, blöd! ( – völlig unverständlich!!! – ) Für Pflanzen ist er ja wunderbar und weiterblickend eine ganz normale Folge und Notwendigkeit für das Fortbestehen der Natur. Er ist ein Teil von ihr, er ist einfach da. Ob man ihn mag oder nicht. Dasselbe gilt für Erdbeben, Taifune, Tsunamis… selbst für den Tod. Das sind unumgängliche Dinge, die einfach sind. Wir mögen sie nicht, sie bringen unsere Ordnung durcheinander, sie lösen Gefühle in uns aus, denen wir uns nicht stellen möchten und die wir nur schwer ertragen, aber an und für sich sind diese Dinge weder gut, noch schlecht.

Die Kunst des Bewertens

Wir Menschen bewerten wirklich sehr gerne. Wir fällen über fast alles ein Urteil, sei es durch Begrifflichkeiten wie Gut und Böse, durch Schulnoten oder Sympathie und Antipathie… das ist sicherlich auch notwendig, denn um überleben und Gefahren entgehen zu können, muss man Situationen einschätzen und gewisse Ereignisse erkennen und damit umgehen lernen. Ohne das Nicht-Sterben-Wollen könnten wir beispielsweise auch nicht leben: wäre es uns egal, würden wir direkt vor das nächste Auto laufen ohne die Folgen zu bedenken. Wir haben außerdem die Wirkung gewisser Substanzen wie Wasser, Nahrung oder Drogen auf unseren Organismus getestet und können daraus unsere Konsumkonsequenzen ziehen. Ein Urteil ist also bis zu einem gewissen Grad absolut gerechtfertigt und überlebenswichtig. Niemand ist frei davon und keiner kann neutral und gleichgültig bleiben. Bewerten ist menschlich.

Wir haben diese Kunst jedoch nicht nur perfektioniert – wir überspannen den Bogen bereits. Was einst ein Instinkt oder Reflex war, ist nun eine Art Zeitvertreib, ein Hobby geworden. Wie ich das meine? Wir bewerten schlichtweg alles! Den Geschmack unserer Nachbarn, wenn wir die Nase über deren hässliche Vorhänge rümpfen. Das Leben unserer Bekannten und Freunde, wenn wir die Bilder ihres Mittagessens auf Facebook mit einem „Gefällt mir“-Klick quittieren oder unter dem Deckmantel der relativen Cyber-Anonymität gemeine Kommentare unter Beiträge klatschen, die wir nicht mögen. Das Treiben von völlig Fremden, die hier und da einen Skandal landen und durch mediale Verbreitung präsentiert und vorgeführt werden. Wusstest duschon, dass X ihre Haare jetzt blau und stachelig trägt? Welches Kleidchen entblößt wiedermal Ys unrasierte Beine? Wie geht der Z denn an den Ball hin, der muss doch raus aus dem Tor!

So viel Kritik, so viel Besserwissen, so wenig Selbstmachen!

Natürlich weiß ich nicht, wie es früher war und ich bin auch kein Anhänger des Früher-war-alles-besser-Gewimmers, aber es ist schwer von der Hand zu weisen, dass wir im Zeitalter der Illusion leben. Echte Menschen spielen das Leben anderer Menschen nach, was sich wiederum echte Menschen im Fernsehen anschauen. Das Interesse am Nächsten bleibt auf der Strecke, außer es läuft im sogenannten Assi-TV, wo man sich eine Prise Selbstvertrauen abholen kann, weil man ja lange nicht sooo schlimm, bescheuert und schmuddelig ist, wie die Dargestellten, nicht wahr?

Man lenkt sich nur zu gerne von sich selbst ab, dann sieht man die eigenen Fehler und Vergehen weniger, die uns die Gesellschaft zuspricht. Wir schieben uns gegenseitig den Schwarzen Peter zu und denken gerne, dass wir alles falsch machen, dass wir besser sein müssten, mehr können, mehr leisten… mehr, mehr, mehr!

Und in unserer Verzweiflung, dieses Ziel nicht erreichen zu können, kritisieren und urteilen wir pausenlos über andere, damit es uns selbst nicht widerfährt… was ist eigentlich mit dem Lob? Wann hat man etwas gut gemacht? Wenn alles nach Plan läuft, gilt das als selbstverständlich, für gutes Gelingen gibt es lange nicht so viel Zuspruch wie für kleines Misslingen. Da haben wir uns ein schönes Bewertungssystem herangezüchtet, ein Spiel das keiner gewinnen kann.

Ist es verrückt, das verrückt zu finden? 

Vor Kurzem saß ich am Meer, blickte auf diese wundervolle, salzige Weite und den noch unendlicheren, sonnenbestrahlten Horizont und dachte, wie pervers unsere Gesellschaft doch ist. Nein, ich halte mich wirklich nicht für etwas Besseres, aber ich denke, ich sehe möglicherweise etwas besser als andere. Ja, das klingt jetzt merkwürdig, so als gebürtige Sehschädigungsinhaberin, aber du kennst ja mein Motto: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Und dort am Strand, wo die Brandung so schön in meinen Ohren rauschte und der Wind an den Haaren, den Wolken und den lästigen, alten Gedanken zerrte, da sah ich. Ich habe tief geblickt und weit geschaut, gerade lange genug, um es auszuhalten und zu verstehen. Ja, unsere Gesellschaft ist pervers – nicht in einem sexuellen Sinne – sondern an und für sich, denn wir sind alle verrückt! Der eine mehr, der andere weniger, aber allesamt verschoben. Wir haben uns von unserem Ursprung entfernt und Konstrukte geschaffen, die unseren Blick auf das Wesentliche vernebeln. Wir haben ein Labyrinth um uns errichtet oder vielmehr einen Irrgarten aus dubiosen, längst überholten Regeln, Normen und Konventionen und noch eigenartigeren Praktiken, Freizeitbeschäftigungen und Gewohnheiten. Allergien und Volkskrankheiten plagen uns, weil wir entfernt von der Natur leben. Böse Bakterien, kreischen alle und desinfizieren, was ihnen in die Hände fällt. Alles steril und sauber, dabei schreit der Körper und der Geist nach Dreck! Keinem widerlichen Elektrosmog oder Abgasen und Feinstaub, sondern nach duftender, bröckeliger Erde, nach krümeligem Sand zwischen den Zehen und nassem, dunklem Schlamm!

Merkst du das auch gerade? Wir bezeichnen die natürlichsten, ursprünglichsten und echtesten Dinge als Schmutz, dabei ist doch die Plörre, die wir in Luft und Meere pumpen und das ominöse Zeug, was wir uns ins Gesicht und in die Haare schmieren, so viel ekelhafter, als ein paar Klümpchen vom Boden oder einem müffelnden Biomüll. Und apropos: viele von uns legen jeden Tag eine Maske an, damit man sie nicht richtig erkennen kann – Make-up! Zahllose Regale mit tausenden von Döschen, Fläschchen, Pinseln, Zupfern, Zangen und diversen anderen Utensilien, die alle dazu dienen, uns zu verstecken. Warum fühlen wir uns eigentlich so viel besser, wenn man unsere kleinen Hautirritationen nicht sehen kann oder wenn wir uns mit Läuseblut die Lippen rotfärben?

Jetzt kannst du mich gerne für verrückt halten, aber ich halte dieses Überspitze, diese Fremdheit zum Echten und Wahren für das wahrhaft Verrückte. Das bedeutet nicht, dass ich sofort alle meine Kleider von mir werfe, meine Ohrringe einschmelze, mein iPhone verschenke und nur noch das esse, was in meinem Garten wächst. Nein, es heißt, dass ich mir einen Ausgleich wünsche. Alle Extreme streben nach Harmonie, so funktioniert die Welt. Darum braucht es einen Jedi, um einen Sith zu besiegen. Es ist ein ewiger Kreislauf und es gibt kein Ende. Ich wünsche mir von Herzen Gleichgewicht, eine Balance zwischen den Extremen und ein Rückbesinnen auf das wirklich Wichtige und Reale – weniger Schein, mehr Sein!

Siehst du es nicht auch?

Ein angebissener Apfel auf einem Smartphone macht uns nicht cooler – wenn wir cool sind kommt das aus uns, nicht aus unseren Accessoires. Die haben wir gar nicht nötig! Weniger Kilos auf der Waage verhelfen uns nicht zu mehr Liebe und ein dicker Geldbeutel macht uns nicht glücklicher. Ein Apple-Produkt ist etwas Tolles, eine straffe Figur ist erstrebenswert und genügend Geld zur Verfügung ist vorausschauend und Lebensqualität stiftend – aber diese Dinge sollte man nicht anstreben, weil man cool, sexy oder reich dadurch werden will.

Tue es doch lieber für dich selbst, nicht für dein Aussehen oder Ansehen, nicht für andere. Kaufe dir das Handy, mit dem du am besten zurechtkommst, das alle Funktionen hat, die du dir wünschst und das dir gefällt. Trainiere und ernähre dich gewissenhaft und diszipliniert, damit du dich wohl fühlt, damit du Kraft und Energie hast, um in vollen Zügen zu genießen. Verdiene mit genau dem Geld, was du liebst und das dir Freude bereitet, um genau so viel finanzielle Mittel zu besitzen, dass du dein Leben mit Freude und Leidenschaft auskosten kannst. Abgerechnet wird nicht (nur) am Ende, sondern hier und jetzt! Sammle deine Erfahrungen, mache die Augen auf und sieh ganz genau hin. Wir sind Menschen – die Dinge, die uns unterscheiden, haben wir selbstgeschaffen. Die Dinge, die uns verbinden, sind die, die wirklich zählen, die echt und wahr sind – unumstößlich. Vergiss die Gardinen deines Nachbars, das Burger-Menü deiner Freunde oder die fehlenden Höschen mancher Prominenter – sei Mensch und liebe dich, deinen Nächsten und das Leben, denn du bist der wahre Star.

 

2 Kommentare zu „Wir sind alle verrückt!

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