Je mehr man fordert, umso mehr verliert das, was man hat, an Schönheit. Ist eine Forderung nicht auch etwas sehr Anmaßendes? Wir verlangen, dass man uns etwas gibt… mit welchem Recht? Wie echt ist etwas Gefordertes überhaupt?

Vom Selbsteinladen und Sich-zu-wichtig-nehmen…

Diese Gedanken entstammen einigen Situationen der vergangenen Tage. Am Jahresende treffe ich geburtstags-, weihnachts- und silvesterbedingt recht oft auf Familie und Freunde – im Grunde etwas Wunderschönes, das ich nicht missen will. Jedoch kommen – wie es wohl fast jeder kennt – auch diverse Schattenseiten zum Vorschein. Menschen, die sich aufdrängen, prägen mein diesjähriges Dezembererleben.

Die einen wollen sich für die Jahreswende Gastfreundschaft und Unterhaltung erschwatzen, die anderen verlangen mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Da ich kein Mensch bin, der schnell urteilt oder anderen gegenüber rücksichtslos ist – zumindest bemühe ich mich darum – habe ich über diese Forderungen an mich nachgedacht und bin nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass ich genug davon habe, dass ständig jemand an mich Forderungen stellt. Muss ich mich immer rechtfertigen, wenn ich an mich denke? Ist es nicht sogar etwas gemein, dauernd Forderungen an mich zu stellen?

Was genau ist eine Forderung?

Ganz schlicht betrachtet ist doch eine Forderung etwas sehr Aggressives. Man will etwas haben, das einem fehlt und dies soll ein anderer einem geben. Man kennt ja diese Situation aus Filmen und Serien, wo der Bankräuber mit gezückter Waffe auf den Angestellten zielt und ihn auffordert, das ganze Geld in die Tasche zu packen. Wenn sich jemand nun einen Platz auf meiner Silvesterfeier erschleichen will oder mehr Zeit mit mir verbringen möchte und eine Rechtfertigung für meine Abwesenheit oder mein Gehen fordert, so erscheint mir das doch auch sehr brutal, denn meine Aufmerksamkeit, meine Gastfreundschaft, meine Zuneigung und meine Zeit werden dadurch gefordert. Sind das aber nicht alles Dinge, die man freiwillig geben sollte? Und vor allem Dinge, die nur dann echt sind, wenn sie aus freien Stücken zuteil werden? Für mich kann es keine erzwungene Liebe, keine aufgesetzte Freundschaft, keine falsche Zuwendung geben – denn entweder kommen diese Emotionen direkt aus meinem Herzen und sind dadurch unverfälschlich und wahrhaftig, oder sie sind nicht wahr. Es macht daher überhaupt keinen Sinn, sie zu fordern, denn die bloße Forderung macht sie nichtig.

Wieso fordern, wenn man auch bitten kann?

Das soll selbstverständlich nicht heißen, dass jedes Gesuch zurückgewiesen werden  oder man nicht Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nehmen sollte. Im Gegenteil – sieht man in seiner Umgebung ein Ungleichgewicht, also ein ungestilltes Bedürfnis, so kann man in sich gehen und sich fragen, ob man etwas dazu beitragen kann, diesem nachzukommen. Man ist jedoch nicht zwangsläufig in der Pflicht, dies zu tun. Zuallererst darf und soll man in einem solchen Moment an sich denken. Nicht aus falschem Egoismus, aber man ist ebenso wie das Gegenüber eine wertvolle Person und wenn man nicht für sich selbst einsteht, wie kann man dann für andere einstehen? Es ist nicht leicht, das in Worte zu fassen. Es geht um so vieles. Sich selbst zu lieben ist etwas Fundamentales, etwas Wichtiges, das man früher oder später im Leben lernen muss, um glücklich zu sein. Stellt nun jemand eine horende Forderung an mich, so ist es mir überlassen, ihr nachzukommen oder sie zurückzuweisen. Gewarnt seien jedoch jene, die gerne nachgeben – sei es aus Nettigkeit oder Pflichtbewusstsein. Allzu oft wird so etwas ausgenutzt – ich spreche aus Erfahrung. Im Prinzip geht es darum, eine Forderung von einer Bitte zu unterscheiden. Für mich drückt ersteres keinen Respekt und keine Anerkennung für den Beforderten aus, ja ganz im Gegenteil! Was er möchte und was für ihn wichtig ist, steht weit zurück, denn der Fordernde ist auf sich fixiert, seine Bedürfnisse. Seinen Willen durchzusetzen ist oberste Priorität. Eine Bitte dagegen ist etwas auf persönlicher Ebene. Man zeigt der anderen Person ein Bedürfnis auf und bittet um Hilfe, dieses zu stillen. Diesen Weg halte ich sowohl in familiären als auch freundschaftlichen Kreisen für die einzig praktikable Möglichkeit, denn man gibt zu, etwas zu brauchen und auch, dass der andere einem dies geben kann. Man lässt diesem Gesichtswahrung die Option, das Ersuchen abzuweisen und gleichzeitig bleibt so ein respektabler, selbstbestimmtes Umgang miteinander erhalten.

Wollen, wollen, wollen – von nichts kommt nichts

Gilt nicht eigentlich der Grundsatz, dass wenn man etwas möchte, man auch etwas dafür tun muss? Ich gehe ja auch nicht zu meinem Chef und fordere Geld ohne dafür zu arbeiten. Ich nehme nicht ab, ohne dass ich mich körperlich betätige. Ich kann weder Freundschaften noch Beziehungen aufbauen, ohne etwas dafür zu tun! Wie es so schön heißt: everything comes with a price!

Wenn man etwas will, muss man unweigerlich etwas dafür investieren. Das Schöne ist unter Freunden, dass wenn man nur ein Fünkchen in eine Sache steckt, nur einen Tropfen Herzblut, man das Tausendfache und mehr zurückbekommt.

Sich aber hinzustellen und wie ein Kleinkind zu brüllen, bis man etwas bekommt, scheint keine so gute Lösung zu sein. Vielleicht erhält man scheinbar das Begehrte, doch wie echt ist dieses? Bekommt man es nur aus Mitleid? Nur halbherzig? Bekommt man es dann tatsächlich oder denkt man nur, man habe nun, was man zuvor wollte?

Ich persönlich glaube, dass ich Dinge, die mir wichtig sind, nicht fordern kann. Schließlich habe ich weder einen Anspruch auf Freundschaft noch auf Liebe noch auf sonst etwas. Aber ich habe die Möglichkeit, mich dafür einzusetzen, dass ich an mein Ziel komme. Energie und Gefühle kann ich investieren und wenn diese erwidert werden, ist es umso kostbarer, denn es ist echt!

Die Essenz

Nach einigem Hin und Her ist für mich nun klar, dass die Frage des Forderns eine einfache Lösung hat. Wie so oft im Leben geht es im Grunde um Geben und Nehmen. Eine Forderung ist, wie oben erwähnt, aggressiv und Besitzergreifung und hat – so ist zumindest meine bescheidene Meinung – nichts in der Familie oder in der Freundschaft zu suchen. Ganz eindeutig handelt es sich dabei um ein reines Nehmen. Eine Bitte hingegen fällt in die Kategorie Geben. Das hört sich widersprüchlich an? Mag sein, doch aus meiner Perspektive ist es ein Investieren, ein Öffnen des Raumes. Nur, wenn man seine Gefühle – verpackt in einem Bedürfnis – kundtut, kann man das Dementsprechende überhaupt bekommen. So erscheint ein wesentlicher Aspekt des harmonischen Miteinanders doch die Symbiose aus Geben und Nehmen zu sein – frei von Druck und Forderungen, denn dann – und nur dann – ist die Beziehung wahrhaftig! Dann ist Geben einfach und Nehmen keine Mühe, dann ist man eins.

 

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